Costa Catholica oder der Leuchtturm ohne Boote


Berliner Tagesspiegel - 10.02.12
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Kommentar zum Artikel

er gibt nur meine persönliche Meinung wieder

   

Von Katholischen Leuchttürmen

Leuchttürme sind seit jeher nicht nur faszinierende technische Einrichtungen, sondern werden auch gern als Symbole verwendet. Dabei steht immer wieder die für die Orientierung notwendige Strahlkraft im Mittelpunkt. Schon in der Antike war eines der Weltwunder der Leuchtturm von Alexandria –möglicherweise auch in Kombination mit der wohl bedeutendsten Bibliothek in jener Zeit.

Der Berliner Tagesspiegel und die Berliner Zeitung berichten, der neue Erzbischof von Berlin und zukünftige Kardinal Dr. Rainer Maria Woelki habe sich am 8.2.2012 im sog. Kathedralforum an St. Hedwig für die Gründung einer Theologischen Fakultät in Berlin und zugleich für die Schließung von kleinen Gottesdienststandorten bzw. Kirchen ausgesprochen. Katholische Leuchttürme seien erforderlich und demgegenüber müsse über die Schließung von Kirchen diskutiert werden, in denen in seinem Bistum nur noch 15-20 alte Witwen sonntags zum Gottesdienst gingen.

Brauchen wir neue Leuchttürme?

Wenn aber im Bistum Berlin von Leuchttürmen gesprochen wird, die wir als Hauptstadtbistum in diesem Land bräuchten, bekommt das für mich sehr schnell einen faden, wenn nicht üblen Beigeschmack. Und zwar im Zusammenhang mit völlig überzogenen Bauvorhaben und Fehl-Investitionen in der Nachwendezeit, die dann Auslöser der Finanzkrise des Bistums waren.  Und auch darüber kann man in dem Artikel lesen, nämlich dass das Bistum „gerade mal saniert sei“. Und nun eine Katholische Fakultät? Wiederholt sich die Geschichte?

Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Eine vom Land Berlin oder vom Bund finanzierte Katholische Fakultät finde ich gut. Genauso gut finde ich es, dass wir auf diese Weise dem Theologen- und Priesternachwuchs (?) die Nähe zur Bundeshauptstadt gönnen, in der ja bekanntlich „richtig was los ist!“ und über die es heißt „Halleluja, Berlin, alle wollen da hin!“. Nur nicht von meinen Kirchensteuern! Und wozu auch? Welchen messbaren Vorteil bringt mir eine solche Investition? Oder haben wir zu wenige Katholische Fakultäten in Deutschland?

Richtig, es ist nicht allein die Fakultät oder Verwendung von Kirchensteuermitteln dafür an sich, die mich dagegen aufbringt. Vielmehr ist es die Kombination aus „woher das Geld kommen soll, wissen wir nicht – wir haben keins“ (das kennen wir von unserem Anliegen als Kirchbau- und –förderverein deo iuvante e.V.) und dem Vorschlag, kleine Gottesdienststandorte zu schließen bzw. die betroffenen Kirchen abzustoßen.

Wirtschaftliche Überlegungen

Ich glaube, dass man da vermeintliche Erfahrungen oder gar Notwendigkeiten aus der Wirtschaft zu übertragen versucht, die aber mehr als problematisch sind.

Wenn ich mein Filialnetz für ein Produkt, das der Kunde vor Ort braucht, in der Fläche ausdünne, brauche ich auch keine Megazentrale mehr. Wir fahren ja demnächst auch nicht alle zu Schlecker nach Ehingen (wo liegt das eigentlich?), sondern gehen „einfach woanders hin“. Wenn ich also immer mit solchen „Konzern-Strategien“ an den Kunden herantrete, wie heute mit diesem Artikel, wird dies zu einer schwindenden Kundenbindung führen. Die falsch verstandene Reduzierung auf ein, statt auf das Kerngeschäft, wird schief gehen.

Restrukturierungen kann ich meinen Mitarbeitern und meinem Markt nur vermitteln, wenn ich Ausgangslage, Ziele und Maßnahmen transparent mache. Ich kann es dabei nicht jedem Recht machen – die Kunst, die keiner kann. Zumindest hier Im Havelland ist nichts davon bisher angekommen, außer den Maßnahmen. Und das ist die denkbar schlechteste Variante, betroffen zu sein, ohne die Ausgangslage und die Ziele und Perspektiven zu kennen. Das ist Schifffahrt ohne Karte, ohne Kompass, ohne Sextanten ohne Leuchtturm, aber mitten im Sturm.

(...) Beginn des Kommentars in der ersten Spalte links

 

Der Leuchtturm an sich

Wie wirkt eigentlich so ein „Leuchtturm“ – wie ist das in der Seefahrt? Ein paar Aspekte fallen mir ein.

Boote orientieren sich an ihrem Leuchtturm. Ich persönlich oder aber die Leute, die mit mir vor Ort versuchen, katholisch zu sein, sind solche Boote. Welche Orientierung gibt uns eine Katholische Fakultät oder andere Einrichtungen des Bistums in Berlin? Und welche Orientierung wird mir geboten, wenn dafür Kirche vor Ort verschwindet und man auch offenbar keinerlei Plan hat, wie man dagegen ankommt?

Oder soll der Leuchtturm Fakultät für andere strahlen? Möchten wir uns ein „Weltwunder“ bauen? Glauben wir wirklich, dass die Bundeshauptstadt und die dort lebenden Menschen auf einen solchen Katholischen Leuchtturm warten? Brauchen wir den dort?

Ich kann keinen Nutzen an einem solchen Leuchtturm erkennen. Nicht für die Leute hier, die katholisch sind, und nicht für die weiteren 75 - 80% Nicht-Christen um uns.

Was tun?

 

Ich glaube vielmehr, dass man mal wieder die Linsen der vorhandenen Seezeichen putzen muss, die Seeleute und Menschenfischer auf dem vom „Lichtsmog“ der Angebote in unserer Gesellschaft verseuchten Meer mit zur Navigation geeigneten Signalen zu versehen. Das eigentliche Fischen findet nämlich nicht im Leuchtturm, sondern auf den Booten statt! Ein Umstand, der aus meiner Sicht immer mehr vergessen wird.

 

Ein Leuchtturm aber, der keine Boote mehr hat, die „raus fahren“, sondern nur solche, die um ihn kreisen, erfüllt seinen Zweck nicht. Vielmehr fällt mir dann dabei ein anderes Bild ein, nämlich das von den Motten und dem Licht. Die fliegen total auf solche Lichtquellen und gehen daran kaputt, kreisen um sich selbst und verdunkeln das Licht.

 

Wenn wir Gemeinde- und Bistumspolitik immer weiter durch strukturelle und organisatorische Konzentration betreiben, ohne uns auf unseren Auftrag zu konzentrieren, werden wir uns irgendwann selbst genug. Wir verlieren die Orientierung, weil wir nur noch aus uns selbst und des Effekts wegen manövrieren: Costa Catholica! Hilfe, wir sind nicht unsinkbar! Lasst uns lieber wieder mit kleinen Booten, klaren Vorgaben und Seezeichen zum Fischen fahren. Und lasst uns überrascht sein, welchen Fang wir machen, wenn wir nach vielfachem Auswerfen auf sein Geheiß nochmal die Netze auswerfen.

 

Begriffe, die fallen, werfen nur noch mehr Fragen auf: Neue Pastorale Zentren - was ist das? Welche Leistung steckt dahinter? Ist das – wie bisher immer propagiert – die Konzentration z.B. im Dekanat, konkret in Brandenburg mit Anreisewegen von 35 - 45 Kilometern?

 

Der Demografische Wandel führt dazu, dass bald nur noch alte Frauen zum Gottesdienst kommen, deren Männer gestorben und deren Kinder weggezogen sind. Und diese könnten dann doch besser in die Zentralgemeinde fahren. Woher wissen wir das? Und: Es ist günstiger, dass die „15-20 alten Witwen“ fahren, als dass ein Priester zu ihnen kommt? Nicht die Kirche soll zu uns, sondern wir zur Kirche kommen (abgesehen davon, dass ich keine verwitwete Rentnerin bin. Ich finde auch, dass die Fische bitte doch selbst ins Netz schwimmen!). Ist das wirklich ernst gemeint, ist das die Umsetzung von Lk. 5, 5 durch die (jahrelang erfolglos) versuchte Errichtung einer Katholischen Fakultät?

 

Wo ist die Vision? Wo ist das „zwei oder drei“? Wo ist das „gehet hin“? Meines Wissens hat nur einer gesagt, sagen können „Kommt zu mir!“. In dessen Namen sind wir „unterwegs“! In unserer immer schnelllebigeren Gesellschaft wollen wir uns immer stärker konzentrieren, damit Hirten und Hauptamtliche weniger unterwegs sind? Damit wollen wir dem demografischen Wandel begegnen?

 

Nochmal: Es seien in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern keine Menschen und keine Jugendlichen mehr da, ist ein Irrtum. Da leben neben uns immer noch rund 80% Nichtchristen. Und dabei handelt es sich nicht nur um verwitwete alte Frauen.

 

Zusammenfassend:

 

Ein klares Wort, z.B. zur pastoralen Fläche wäre sinnvoll. Mit wie viel pastoraler Fläche pro Katholik beteiligt sich denn das Bistum? Statt mit solchen Allgemeinplätzen in der Tagespresse aufzutreten, sollte doch lieber konkrete Hilfe für die kleinen Diasporagemeinden geboten werden.

 

Was ist mit der Gemeindemission? Wollen wir weiter trocken legen oder das Wasser des Lebens verteilen?

 

Nochmal: Gäbe es Schlecker nur noch in Ehingen, gingen die Leute einfach nicht mehr zu Schlecker. Sie doch auch nicht, oder!?

 

Wir brauchen mehr Menschenfischer und weniger Leuchtturmwärter!

 

  

Matthias Rehder

 

  

PS: Und dann sollte die entsprechende Informationspolitik doch über geeignete Kanäle gehen und nicht in der weltlichen Tagespresse allein erfolgen. Wieder einmal zeigen der Internetauftritt des Erzbistums Berlin und die Kirchenzeitung, dass sie nicht wirklich aktuell sind, um ihre Gläubigen auf dem Laufenden zu halten.

 

 

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Kommentare

Mail vom 17. Februar 2012:

 

Leuchtturm mal anders gesehen

Hallo Matthias,

als ich mir eben den Artikel "Leuchtturm des Herrn" durchgelesen habe, bekam ich es in gewisser Weise mit der Angst zu tun.

Ich sah unser "kleines Boot", das sich in meinen Augen schon zu einem Hausboot entwickelt hat, unkontrolliert und ohne Navigation auf dem großen Meer herumdümpeln, da "unsere kleinen Inseln", bestückt mit "unseren kleinen Leuchttürmen" überschwemmt wurden - wir nicht mehr in die kleinen geschaffenen Häfen einlaufen konnten, die seit ca. 1 Jahr entstanden sind und immer weiter ausgebaut wurden und werden.

Diese "kleinen Inseln", die geschaffen wurden, sei es, um sich zum gemeinsamen Suppe-Auslöffeln zu treffen, geistliche Gedanken auszutauschen, Lieder zu singen, gemeinsam mit Gott unterwegs zu sein, ein Wochenende im Kloster zu verbringen, mit 11 Leuten Rorate-Messe zu feiern, mit 4 Leuten Bibel zu teilen..., mit 3 Leuten eine Messe musikalisch zu gestalten..., gemeinsam zu tanzen..., GOTTESDIENST MITEINANDER ZU HALTEN - alle diese kleinen Inseln würden vielleicht Gefahr laufen, überschwemmt zu werden - unterzugehen, wenn sich da plötzlich DIE RIESEN-STRAHLKRAFT-INSEL erhebt als DAS ZENTRUM schlechthin.

Ich denke, dass wir besonders IHN in den letzten Monaten deutlich unter uns und in uns spüren durften - SEINE Leuchtkraft sehr viel Licht und Wärme während der Fahrt über die teilweise sehr unruhige See gebracht hat und uns immer wieder neue Inseln in SEINEM Lichtkegel hat erscheinen lassen - Inseln mit kleinen menschlichen Leuchttürmen.

Ich finde, wir haben in einer doch relativ kurzen Zeit sehr viel miteinander, mit Gottes Hilfe erreicht - deo iuvante eben.


Wir zucken noch, wenn nicht sogar schon mehr als das.

Wir sind lebendiger geworden auf unserem Boot - haben uns gegenseitig aus dem Wasser gezogen und sind immer noch nicht müde geworden, Leute, die scheinbar über Bord gegangen sind, wieder ins Boot zu holen, indem wir kleine Rettungsinseln auswerfen und weitere Inseln mit kleinen Leuchttürmen versuchen zu  errichten, z.B. "die Insel des Kinder-Reli-Tages".

Vielleicht hat unser Pfarrgebiet mit seinen teilweise 15-20 Gottesdienstbesuchern (wobei Friesack mit dieser Zahl schon fast an seine Platzkapazitätsgrenze reicht), mit all seinen kleinen Leuchttürmen, ja doch erstaunlicherweise viiiiel mehr Strahlkraft, als gedacht.

Sei herzlich gegrüßt vom kleinen Leuchtturm aus Ketzin

 

Meggy Moeller

 

 

Es erreichen mich einige Rückmeldungen zu den Artikeln und zu meinem Kommentar. Zum Teil finden sich die Kommentatoren nicht mit dem Kommentarblock zurecht und schicken Mails. Die möchte ich dann hier - mit Genehmigung des Absenders - veröffentlichen.

 

Der Artikel zu der Veranstaltung in der Berliner Kirchenzeitung, der auch auf der Seite des Erzbistums veröffentlicht ist, enthält übrigens keinen Hinweis auf Kirchenschließungen o.ä. - klickt mal auf den Link und lest ihn euch durch.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Buddelmann (Freitag, 10 Februar 2012 10:41)

    Leuchttürme sind immer die Menschen die sich nahe an Jesus Christus halten. Der Heilige Geist hat die Strahlkraft die durch uns wirkt. Eigentlich ist das Geld nachrangig. Jesus hat bei der Speisung der 5000 Seelen auch nur das Vermehrt was er hatte (Brot und Fisch) und nicht was er nicht hatte. Fangt auch ihr an mit dem dem was ihr habt – und die Gemeinschaft wird wachsen, zu Gottes Ehre hin.
    R.E.Buddelmann