Begreift ihr denn nicht?

von P. Augustinus Johannes Hildebrandt OP

 

„Begreift ihr, was ich an euch getan habe“ (Joh 13,12) Das war am Gründonnerstag die Frage Jesu an seine Jünger. Offensichtlich haben die Jünger es nicht wirklich begriffen. Sie liefen davon verstört, verängstigt, enttäuscht, ratlos. Und viel dieser Gefühle finden sich auch am Beginn des Evangeliums vom Ostermontag wieder. Zwei Jünger auf dem Weg, ja vielmehr sogar auf der Flucht. Sie fliehen vor all dem, was in den letzten Tagen in Jerusalem auf sie eingeprasselt ist, vor der Angst die sie am Abend des Verrates gepackt hatte, vor der Verstörung des Kreuzes, welches dem Menschen, auf den Sie so viele Hoffnungen gesetzt hatten, ein Ende bereitet hat und vor der Enttäuschung, dass Gott das alles hat geschehen lassen. All das bricht aus ihnen heraus, als ein Fremder sich zu ihnen gesellt. Und da begegnet sie uns wieder diese Frage: „Begreift ihr denn nicht?“ (Lk 24,25) 

 

Nein, die beiden Jünger begreifen nicht. Nichts kann sie wirklich überzeugen, nicht die Botschaft der Frauen, nicht das leere Grab. Ja nicht einmal die Heilige Schrift, die ihnen der Fremde auslegt, schafft es all ihre Zweifel und ihren Frust zu durchbrechen. Erst als sie sich ganz auf eine Begegnung mit dem ihnen Fremden einlassen, ihn bei sich einlassen, verändert sich etwas. Plötzlich erkennen sie in dem Fremden den Auferstandenen. Erst die Begegnung mit Jesus beim Mahl öffnet ihnen die Augen und lässt sie endlich begreifen. Erst jetzt verstehen sie, was sie doch schon auf dem Weg gespürt haben. „Brannte uns nicht das Herz?“

 

Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich stehe jedes Jahr auf neue sprachlos vor der Intensität, mit der uns die Liturgie der heiligen drei Tage von Gründonnerstag, über Karfreitag bis zur Osternacht, das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu vor Augen gestellt hat. Ich spüre jedes Jahr aufs Neue, das ich nicht mal einen Bruchteil dessen begreife, was Jesus für mich, für einen jeden von uns getan hat. Manchmal braucht es Abstand um zu begreifen, was wirklich geschehen ist. Wie oft kann ich erst im Rückblick erkennen, wo Gott an meiner Seite ging. Die Jünger haben 60 Stadien, 12 Kilometer gebraucht, Wie viel Zeit wir brauchen mag sehr unterschiedlich sein, aber es ist gut, dass wir 50 Tage Ostern feiern, um wirklich zu verstehen. Und immer wieder lassen auch wir uns von Jesus das Brot brechen, auf das uns die Augen aufgehen.

 

„Begreifst du denn nicht?“ Diese Frage stellt Jesus auch mir und einem jeden von uns. Und ich möchte Antworten: „Nein Herr, ich begreife es noch nicht. Aber wenn du mir hilfst, wenn du mir die Schrift deutest und mir das Brot brichst, wenn du mir ganz nah kommst, damit ich es spüren kann, dann werde ich einmal Begreifen und merken, dass mir schon die ganze Zeit das Herz brannte. Und wenn all das geschieht, werde ich voll Freude ausrufen:

 

Halleluja, der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden und ich bin ihm begegnet! Halleluja!

 

Quelle: gernekatholisch.de